Die Clubs sind weiterhin geschlossen – man trifft sich daher vermehrt in der Schenke, im Biergarten oder einfach bei sich zu Hause. Bier ist dabei in Deutschland immer noch das alkoholische Lieblingsgetränk und die ein oder anderen haben in diesem Zusammenhang sicher wieder vermehrt die Praxis des „Absetzens“ bemerkt: Nach dem Anstoßen oder Zuprosten wird das Bierglas noch mal auf dem Tisch abgesetzt, bevor das Hopfenkaltgetränk zum Mund geführt wird. Was steckt da bloß dahinter?
In der Bierszene gibt es dazu keine allgemeingültige Erklärung. Vielmehr bestimmen unterschiedliche Erklärungsmodelle die Thematik. Über den tatsächlichen Ursprung dieser Tradition lässt sich nur mutmaßen – was besonders am Stammtisch natürlich schnell in eine hitzige Debatte münden kann. Selbst große Brauereikonzerne wie Beck’s, Warsteiner oder Paulaner haben einschlägigen Bierblogs nach demzufolge keine Antwort auf die drängende Frage.
Eine Variante lautet demnach, das Ritual des Bier-Absetzens liege darin begründet, dass man früher im Wirtshaus an großen, tafel ähnlichen Tischen saß und es somit unmöglich war, mit jedem einzeln anzustoßen. Daher zeigte man sich erfinderisch: Die Tischplatte als Verbindungselement der geselligen Runde wurde genutzt, um sich quasi per Schallwelle – ausgelöst durch den abgesetzten Bierkrug – zuzuprosten.
Auch in der Region um Würzburg herum gibt es schöne Biergärten
Heute noch werben viele Brauereien mit ihrem ursprünglich als Klosterbrauerei gegründeten Status – und die Mönche waren gewiss keine Kinder von Traurigkeit in Sachen Biergenuss. In der Fastenzeit galt schließlich das Motto „Flüssiges bricht Fasten nicht“. Beim Trinken selbst galt es jedoch anscheinend, dem Abt den Vortritt zu lassen. Um Zeit zu gewinnen, bis die Mönche ran ans Bier durften, war es daher üblich, vorher noch mal abzusetzen.
Die Wahrheit übers Absetzen könnte auch in Zusammenhang mit der Sicherheit der Kneipengäste stehen: In einer angetrunkenen Runde kann der Alkohol gern mal zu Überschwang und Lebendigkeit führen – sich verselbstständigende Biergläser inklusive. Deshalb ließ man sich was einfallen, um die Zähne vor größeren Sollbruchstellen zu bewahren. Indem vorher abgesetzt wird, signalisiert man den Trinkenden, dass gleich aus dem Krug getrunken werden soll – und vermeidet so einen vom Ellenbogen des Nebenansitzenden ausgelösten brachialen Zusammenstoß von Krug und Gebiss.
Der Bierdeckel ist der Gradmesser für den Hochleistungstrinker: Auf ihm werden in Form von Strichen die Rekorde verzeichnet, die der Bierliebhaber am Abend aufstellt. Auch die Getränkerechnung lässt sich daraus ganz einfach ableiten. Wie ärgerlich wäre es da, wenn jemand den unachtsamen Moment des Prostens (Augenkontakt ist hier ja Pflicht!) nutzen würde, Rekorde zu klauen? Andererseits könnte ein „bieriger“ Geselle ja auch auf die Idee kommen, seine eigene Zeche zu drücken und dem anderen den teuren Bierfilz unterzujubeln. Welche Motivation auch dahinterstecken mag: Das Absetzen dient der Versicherung, dass der eigene Bierdeckel nicht gegen den eines Kollegen oder einer Kollegin ausgetauscht wird.
Biertrinken im Biergarten. Symbolfoto: Pascal Höfig
Für wen Bier ein besonderes Genussmittel darstellt, der kann der Hopfenkaltschale in Form des Absetzens huldigen: Es symbolisiert in diesem Fall den Dank an Gott, sich in der glücklichen Situation zu befinden, dieses herrliche Bierchen jetzt genießen zu können. Statt es gedanken- und ehrlos hinunterzustürzen – wie es inzwischen bei diversen Trinkspielen à la Rage Cage und Flunky Ball pervertiert wird –, stehen Innehalten und Lobpreisung im Vordergrund. Wenn es kein Stoßgebet an den Herrgott persönlich sein soll, genügen auch lobende Gedanken an den Herrn Braumeister.
Dieser Erklärungsversuch gilt selbstredend nur für Biergefäße mit Henkel, also beispielsweise den klassischen Maßkrug: Zum Anstoßen hält man den Henkel meist in der Hand, zum Trinken selbst hingegen wird gerne die flache Hand in die Henkelschlaufe geschoben. Um das kostbare Hopfengetränk nicht durch komplizierte Verrenkungen zu gefährden, wird der Griffwechsel ganz bequem durch Absetzen auf den Bierfilz vollzogen.
Zum Schluss noch eine symbolbeladene Erklärung für die Geste hinterm Absetzen: Seine Mittrinkenden sucht man sich ja bekanntlich nicht immer freiwillig aus. So kann es vorkommen, dass die unliebsame Kollegin, der unsympathische mitgebrachte Kumpel von jemandem oder gänzlich Wildfremde sich in die Runde mogeln – beim Anstoßen kommt man um diese Person dann meist nicht herum. Das Bier abzusetzen, kann da Abhilfe verschaffen: Der durchs Zuprosten erwiesene Respekt kann auf diese Weise postwendend wieder abgelegt und wirkungslos gemacht werden. Man befreit sich quasi vom geheuchelten freundlichen Gruße.
Wer aufmerksam gelesen hat, wird merken, dass nicht alle Erklärungen gleichzeitig der Wahrheit entsprechen können, da sich einige gegenseitig ausschließen – da geht es vor allem um persönliche Überzeugungen. Welche der in diesem Artikel vorgestellten Anekdoten überzeugen Euch am meisten? Schreibt es in die Kommentare oder schicke uns eine Mail an redaktion@wuerzburgerleben.de – gerne auch, wenn Ihr noch weitere Erklärungen parat habt. Na dann, Prosit!
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