Kopfverletzungen sind das größte Problem

2023-02-28 14:22:10 By : Ms. Sweet Zhou

„Der Körper hat kaum eine Knautschzone — deshalb kann es beim Radfahren zu schweren Verletzungen nach Stürzen kommen.“ In dieser Bewertung sind sich Dr. Heribert Keller (Orthopädie Unfallchirurgie Gmünd), Sebastian Weber (Gemeinschaftspraxis am Spritzenhausplatz für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie Aalen) sowie der Aalener Radprofi Steffen Thum einig. Bei allen Vorzügen, die diese Sportart hat, müssen daher einige Punkte beachtet werden, wenn sie am Ende gesund sein und nicht zum gesundheitlichen Problem werden soll.

Radfahren hat viele positive Effekte auf die Gesundheit: „Als Mediziner kann ich zum Beispiel bei beginnender Arthrose, dem Knorpelverschleiß, nur zum Radsport raten“, so Heribert Keller. Als aktiver Radsportler setzt Sebastian Weber bei seinen Patienten auch im Bereich der Rehabilitation, also nach Verletzungen, aufs Fahrrad: „Nach Knieverletzungen kann man zum Beispiel die Kurbellänge einseitig anpassen. Bei Handverletzungen können die Bremsen modifiziert werden oder sogar auf eine einhändige Betätigung umgebaut werden“, nennt er die Vorzüge und die Vielseitigkeit eines Zweirads.

Die vielen Einstellmöglichkeiten, vor allem die Sitzposition, sind am Ende mitentscheidend, ob sich das Radfahren unter dem Strich positiv oder negativ auswirkt: „Eine falsche oder statische Sitzposition kann zu einer Knieentzündung oder einem steifen Nacken führen“, so Simon Gegenheimer, Welt– und Vizeweltmeister im Mountainbike–Sprint aus Aalen.

Laut Sebastian Weber und Heribert Keller können Schäden aufgrund von Fehl– und Überbelastungen nach einer gezielten Analyse gelindert werden: „Durch Veränderungen der Fahrradergonomie oder eben der Sitzposition lassen sich typische Gelenkbeschwerden oder Nervenengpass–Syndrome — dazu zählen auch Wirbelsäulenbeschwerden oder Hüft– und Gesäßprobleme — lindern oder ganz beseitigen. Stellschrauben finden sich bei der Breite, Höhe und Krümmung des Lenkers, bei der Griffposition, der Rotation der Bremsgriffe, Neigung und Höhe des Sattels oder auch bei der Länge der Tretkurbel, um nur die wichtigsten Aspekte zu nennen.“

Bei Unfällen im Straßenverkehr und beim Alltagsradeln kann es zu schweren und sogar lebensbedrohlichen Verletzungen kommen. Neben Prellungen und Schürfungen erleiden Radler Knochenbrüche der Extremitäten wie der Unterarme oder Oberschenkel sowie des Schultergürtels oder erleiden Verletzungen des Schädels, das sogenannte Schädel–Hirn–Trauma (SHT).

„Der Klassiker beim Mountainbiken sind Verletzungen von Schlüsselbein und Schulter, die nach einem Salto meist den ersten Bodenkontakt haben“, so Steffen Thum. Er selbst wurde vor vielen Jahren bei einem Weltcup in Kanada von einem Auto erfasst und erlitt bei einem Sturz in Abu Dhabi einen Schlüsselbeinbruch: „Beides Mal wurde ich nach der Erstversorgung vor Ort im Ostalbklinikum optimal versorgt“, blickt er zurück. Brüche der Speiche im Handgelenk, Schultereckgelenksprengungen und Schlüsselbeinbrüche werden heute beim Orthopäden oder Unfallchirurgen ambulant behandelt und bei Bedarf operiert. Bei schwereren Verletzungen ist oft eine stationäre Behandlung im Krankenhaus notwendig. Immer häufiger müssen die Mediziner Patienten behandeln, die mit E–Bikes unterwegs sind, „dabei schneller fahren und auf der anderen Seite mit einem aggressiveren Bremsverhalten dieser Räder mit modernen Scheibenbremsen klarkommen müssen“, so Sebastian Weber.

Bei älteren Radlern kommt es zudem häufiger vor, dass diese Medikamente zur Reduzierung der Blutgerinnung einnehmen, was bei Unfällen ein Problem werden kann. „Die zentrale Vorbeugungsmaßnahme ist heute kaum mehr der Rede wert: der Helm“, sagt Heribert Keller. Weil das Tragen eines Helms heutzutage die Regel ist, kommt einem weiteren Punkt eine große Bedeutung zu: Jeder Radfahrer sollte sich mit der Technik seines eigenen Rads vertraut machen.

Ambitionierte Biker sollten laut Simon Gegenheimer Brust– und Rückenprotektoren sowie Schienbeinschoner tragen. Für die Profis Gegenheimer und Thum gehört ein Techniktraining zwingend zu den vorbeugenden, den präventiven Maßnahmen. Eine gute Fahrtechnik hilft laut Dr. Keller, Verletzungen zu vermeiden, die als Folge von Stürzen auftreten: „Je mehr man trainiert, desto sicherer wird man auch!“ Und nicht zuletzt sollte jeder, der auf einem Zweirad unterwegs ist, fit in Erster Hilfe sein. Dazu gehört, dass man Gelenkverrenkungen möglichst schnell wieder in die richtige Position bringt oder mit Hilfe eines Ersatzschlauchs einen Druckverband anlegt. Schürfwunden nach Stürzen werden noch vor Ort mit der Trinkflasche ausgespült.

Was für das Gros der ambitionierten Radfahrer selbstverständlich ist und ein wichtiger Punkt im Zuge der Vorbereitung auf eine Tour ist, wird von Hobbyradlern meist unterschätzt: ausreichend trinken und essen. Denn wenn der viel gefürchtete Hungerast kommt, dann helfen auch tausende Trainingskilometer nichts mehr — dann ist sprichwörtlich der Stecker gezogen. Aber auch bei vielen Tausend Trainingskilometern gilt es, die Balance zu halten, denn Überlastungsschäden sind im Radsport nicht selten.

„Auch wenn es noch so schwerfällt“, sagt Steffen Thum, „nach einer anstrengenden Trainingseinheit braucht der Körper Pause und Ruhe.“ Typische Überlastungsschäden, so weiß er, sind entzündete Knie.